Anlässlich eines Projektes für unseren Geschichtsunterricht, habe ich einen Zeitzeugenbericht meines Opas mit dem historischen Kontext verglichen und recherchiert inwiefern seine Erinnerungen der Wahrheit entsprechen und zu dem historischen Kontext passen. Bei dem Interview und den Erzählungen meines Opas, handelt es sich um den Luftangriff auf Hanau am 19. März 1945. Um das Thema zu veranschaulichen, befasse ich mich mit der Leitfrage, welche Auswirkungen die Bombardierung Hanaus auf die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner hatte. Außerdem gehe ich genauer auf die Frage ein, ob die Alliierten ihre Ziele erreicht haben.

Vorab werde ich einige Hintergrundinformationen zu meinem Opa erzählen, um den Verlauf seiner Erinnerung besser nachvollziehen zu können.

Mein Opa, Hans Uhrig, war zu dem Zeitpunkt seiner Geschichte 15, fast 16, Jahre alt. Er wohnte in Bruchköbel (Oberissigheim) und machte eine Ausbildung zum Elektriker bei der Firma Roediger in Hanau. Die Firma lag in der heutigen Schnurstraße und befindet sich in der Nähe des Marktplatzes, was später noch wichtig für die Geschichte wird. (Folie 4)

In dem folgenden Text handelt es sich um eine Erinnerung meines Opas
(Interview am 31.03.2024 um 15:30 über den Luftangriff auf Hanau am 19. März 1945).

„Wir sollen für unseren Geschichtsunterricht ein Schulprojekt über ein familienhistorisches Ereignis erstellen, indem wir es mit dem historischen Kontext vergleichen. Kannst du mir bitte alles erzählen, woran du dich in Bezug auf die Bombardierung Hanaus erinnern kannst?“

„Am 19.03.1945 wurde Hanau zerbombt. Ich war zu dem Zeitpunkt knapp 16 Jahre alt und habe, wie heutzutage auch, in Bruchköbel (Oberissigheim) gewohnt. Ich war in einer Ausbildung als Elektriker bei der Firma Roediger in Hanau. Der Standort der Firma ist in der heutigen Schnurstraße, das ist in der Nähe des Marktplatzes. In dieser Nacht bin ich aufgewacht, weil ich lautes Dröhnen und Geräusche gehört habe. Es waren die Bomber, die Bomben über Hanau abgeworfen haben. Man konnte sie bis bei uns in Oberissigheim hören. Aus dem Fenster heraus konnte ich am Himmel Bomber erkennen. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, es war mitten in der Nacht, doch plötzlich war es taghell.“

„Um wie viel Uhr hast du die lauten Geräusche der Bomben mitbekommen?“

„Das müsste ungefähr um 04:00 oder 4.30 Uhr gewesen sein.“

„Wie ging es danach weiter?“

„Am frühen Morgen habe ich mich mit einigen Leuten aus dem Dorf auf den Weg nach Hanau gemacht. Wir sind von Bruchköbel mit dem Zug bis zum Nordbahnhof gekommen, es war vielleicht 7.00 Uhr. Wir wussten nicht genau, was uns in Hanau erwarten würde, aber wir hätten nicht damit gerechnet, dass es so schlimm aussehen würde. Am Nordbahnhof sind wir nicht mehr weitergekommen, weil dort schon die ersten kleinen Schäden waren, also mussten wir zu Fuß weitergehen. Auf dem Weg zu meiner Firma, die im Zentrum des Bombenangriffs lag, sah ich schon die ersten Toten am Straßenrand. Manche von ihnen klebten am Asphalt, oder waren damit verschmolzen. Als ich dann an der Firma ankam, war von dem Haus nicht mehr viel übrig, das gesamte Gebäude war ausgebrannt. Ich und andere Mitarbeiter meiner Firma haben dann meinen Chef und seine Familie gesucht. Ich bin runter in den Luftschutzkeller gegangen, um nachzusehen, ob ich dort Personen finden würde. Im Keller stand ein Brunnen, der mit einem Deckel geschlossen war und nebendran stand eine Leiter. Die beiden Schwestern meines Chefs lagen tot neben dem Brunnen. Mein Chef steckte im Brunnen fest. Der Deckel war verschoben und sein Unterkörper noch im Brunnen. Sein gesamter Oberkörper war verkohlt, aber der Unterkörper noch vollständig erhalten. Ich schätze die Hitzeentwicklung war im Keller sehr stark und er wollte sich im Brunnen davor schützen.“

„Was hast du danach gemacht?“

„Mein Ausbildungsbetrieb war fast komplett zerstört. Es waren grausame Eindrücke, die Menschen liefen hektisch und verstört umher, haben ihre Familien, Nachbarn und Freunde gesucht und wussten selbst nicht, wie es weitergehen sollte. Unter Schock stehend, versuchten wir an diesem schrecklichen Tag, zu helfen wo es ging. So viele Leute verloren ihren gesamten Besitz, ihr zu Hause. Ganze Familien wurden in dieser kurzen Zeit ausgelöscht, oder auseinandergerissen. Die Innenstadt war nicht mehr wiedererkennbar. Später wurden die Leichen mit einem Pferdefuhrwerk zusammengefahren und auf einer Wiese in großen Haufen gesammelt. Diese Bilder habe ich nie wieder aus meinem Kopf bekommen.“