Luftangriffe
Von 8. Juli 1940 bis 28. März 1945 sind mindestens 576 Fliegeralarme und 949 öffentliche Luftwarnungen für Hanau zu verzeichnen. Dabei wurde das heutige Hanauer Stadtgebiet während des Zweiten Weltkriegs 39 Mal aus der Luft bombardiert. Mindestens 2.564 Menschen kamen infolge der Angriffe zu Tode.
„Am 11. Dezember 1944 kam wieder einmal Alarm während der Unterrichtszeit. Ich eilte nach Hause und dort in den hauseigenen Luftschutzkeller. Dort saßen wir, als eine 10 Zentner Bombe das Haus traf. Alle waren wie versteinert. Der Ausgang war durch große Trümmer versperrt. Fast 4 Stunden warteten wir, ohne zu wissen, was über und um uns herum geschehen war. Dann gelang es Vater, die als Notausgang vorgesehene Stelle in der Kellerwand zum Nachbarhaus einzuschlagen. Unser Haus lag völlig in Trümmern. Mein Klavier ragte aus unserer ehemaligen Wohnung im 1. Stock halb ins Freie.“
Edeltrud Angert
damals 12 Jahre
Da die Hanauer Industrie mit den führenden Unternehmen Dunlop und Heraeus seit Kriegsbeginn für die Rüstungsproduktion umfunktioniert und die Stadt ein zentraler Eisenbahnknotenpunkt war, bot sie mehrere kriegswichtige Ziele. Neben der Schwächung der deutschen Kriegsproduktion wollten die Alliierten mit der Bombardierung der deutschen Innenstädte die Moral der Zivilbevölkerung brechen und die Unterstützung für Hitlers Vernichtungskrieg unterminieren. Strategische Gründe spielten im Frühjahr 1945 eine nachgeordnete Rolle. So wurde Hanau wie Würzburg, Düren oder Dresden aus der Luft angegriffen, weil es bis dato von der weitreichenden Zerstörung verschont geblieben war.
Die ersten Bombenabwürfe auf den Hanauer Raum erfolgten in der Nacht zum 11. August 1940, als britische Flugzeuge Spreng- und Brandbomben auf Bruchköbel abwarfen. In den folgenden Jahren galt Hanau zwar als „luftgefährdet“, schwere Angriffe blieben aber aus. In den Morgenstunden des 26. November 1943 ereignete sich der bis dato schwerste Angriff auf Hanau, in dessen Folge Brandbomben mehr als 200 Gebäude im Stadtteil Kesselstadt beschädigten.
Seit Ende Juli 1944 verging kaum ein Tag ohne einen oder mehrere Fliegeralarme. Ein Luftangriff der United States Army Air Force in den Mittagsstunden des 25. September 1944 verursachte schwere Schäden um den Hauptbahnhof, die Industriegebiete und die Kasernen. 133 Menschen starben, darunter viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die die Schutzräume nicht aufsuchen durften. Eine Reihe schwerer Luftangriffe musste Hanau im Dezember 1944 erleiden, in deren Folge neben den Industriegebieten die Innenstadt stark betroffen war. Die Gotteshäuser Mariae Namen und St. Josef sowie die Wallonisch-Niederländische Doppelkirche und die Christuskirche wurden so stark beschädigt, dass dort keine Gottesdienste mehr stattfinden konnten. Insgesamt kamen 262 Menschen ums Leben und hunderte verloren ihre Häuser und Wohnungen.
In den Abendstunden des 6. Januar 1945 entkam Hanau bei einem britischen Angriff nur aufgrund der schlechten Witterungsbedingungen der Zerstörung. Der Stadtkern wurde von 18:52 bis 19:27 Uhr in drei Wellen von fast 500 Flugzeugen angegriffen. Die Abwurfmenge an diesem Abend überstieg mit 1.652,9 Tonnen sogar die Menge am 19. März 1945 mit 1.181,6 Tonnen. Die schwersten Schäden erlitten das Stadtzentrum und das Freigerichtviertel. Schätzungsweise 40 Prozent der Stadt waren zerstört und 30 Prozent der Wohnungen unbewohnbar.
In der Folge fiel die Elektrizitäts- und Gasversorgung aus, die Stadtverwaltung musste aufgrund des zerstörten Neustädter Rathaus in die Bezirksschule am Johanneskirchplatz umziehen, das Stadtschloss und das Stadttheater waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt und die Krankenhäuser unbenutzbar. Nach den Unterlagen des Friedhofsamts kamen 158 Zivilisten, Soldaten und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter um. Insgesamt waren 15.000 bis 22.000 Menschen obdachlos. Der Großteil der restlichen Bevölkerung floh ins Umland. Noch hofften die Hanauerinnen und Hanauer den Krieg unbeschadet zu überstehen.

Zerstörte Häuser in der Kleinen Dechaneigasse mit Blickrichtung Nordstraße, Januar 1945
Durch den großflächigen Luftangriff am 6. Januar 1945 erlitten weite Teile des Stadtgebiets große Schäden.

Westseite Neustädter Marktplatz/Ecke Römerstraße mit Kreissparkasse und Hofapotheke nach den Angriffen am 7. und 12. Dezember 1944
Durch die Zunahme der Luftangriffe im vorletzten Kriegsjahr waren mehrere Gebäude zerstört und unbenutzbar.


